Freitag, 11. März 2011
Radiohead - The King of Limbs

Mit ihrem achten Studioalbum kehrten Radiohead Mitte Februar überraschend zurück, und da Radiohead-Platten sich nicht für Schnellschüsse eignen, gibt es erst jetzt tontraegerhoerers Kritik.

Don’t blow your mind with why. Den entscheidenden Tipp gibt Thom Yorke direkt zu Beginn des neuen Albums. Spätestens nach dem Überraschungs-Coup In Rainbows mit seiner einzigartigen Publikationsweise sollte die Frage nach dem Warum der plötzlichen und rätselhaften Veröffentlichung von The King of Limbs nicht mehr relevant sein. Und auch auf die Musik selbst lässt sich diese Forderung übertragen: Wen interessiert denn noch, warum Radiohead sich für das ein oder eben andere Instrument entschieden haben? Wer will wissen, wieso es schon wieder keine Rückkehr zum „klassischen“ Gitarrenrock oder zur alten Wehleidigkeit gibt? Wesentlich ist doch, dass Radiohead auch auf dem achten Album immer noch Neues, Besseres aus dem Hut zaubern können und sich nicht auf die Ebene der Reminiszenz und Selbstzitation zurückziehen müssen (siehe u.a. Oasis nach Album Nr. 2 oder U2).

Thom Yorke ist ein Tänzer. Das kann man nicht nur am Video zur Single Lotus Flower beobachten, in der ein enthemmter Sänger den Vortänzer mimt.



Die gesamte, erste Hälfte des Albums zuckt, wabert und rüttelt so konstant und manchmal hektisch, als sollte sie den Herzschlag des Zuhörers schon ohne Bewegung erhöhen.
War auf dem letzten Album das Stakkato der Gitarrenläufe oft bestimmend, werden die Songs auf The King of Limbs größtenteils vom Schlagzeug oder Drum Computer dominiert. Das mag bei den ersten Durchläufen ermüdend und anstrengend klingen, die innere Logik erschließt sich jedoch schnell. Diese Welt ist eine getriebene, globale Entwicklungen haben ein atemberaubendes Tempo angenommen, dass Charlie Chaplins oder Sergej Eisensteins Visionen hastigen Großstadtlebens geradezu beschaulich wirken. Dieses Album ist schneller als eine Google-Suche.

Selbst in die an den Pyramid Song und andere Klavier-Fieberträume erinnernde Ballade Codex schlägt unerbittlich ein (Heart-)Beat, bis plötzliche der Wendepunkt kommt. Vögel zwitschern, der Rhythmus krepiert und Thom Yorke wimmert: Don’t hurt me. Nur ein sachtes Klopfen auf den Gitarrenkörper bleibt und Radiohead entschweben, lassen diese Welt hinter sich und mahnen doch zugleich Give up the Ghost. Hier, im Duett mit sich selbst, ist Yorke am besten. Hier finden Radiohead hinein in alles Technisierte, Beschleunigte und Kalte einen Augenblick der Wärme und – so wenig passend es auch scheinen mag – Idylle.



Dass Separator den Hörer zum Schluss aus dieser Klangwolke wieder herausholt, ist wohl genauso konsequent wie das ganze Album an sich. Radiohead haben es nach OK Computer und Kid A wieder getan und mit The King of Limbs den Kommentar zur Gegenwart geschaffen.

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