Dienstag, 11. Januar 2011
Das bittere Sein

Kurz vor den Oscar-Nominierungen erreichen auch Deutschland endlich wieder mehr vielversprechende Filme. Neben dem - mittlerweile wieder zum Glück - unvermeidlichen Woody Allen legt auch Sofia Coppoloa vier Jahre nach Marie Antoinette nach.

Vater und Tochter am Poolrand, beide blicken durch dunkle Sonnenbrillen nach oben, Richtung Himmel. Ein intimer, langer Augenblick der Zweisamkeit, bis die Kamera langsam zurückfährt und sie wieder in die unprivate Atmosphäre eines Hotelschwimmbeckens einordnet.
Der Gegenschuss zu ihrer Blickrichtun, der tatsächlich idyllische, blaue Himmel hinter Palmen über Hollywood, fällt dagegen viel kürzer aus, so wie jede romantisch verklärte Vorstellung, die man vom Leben eines Stars hatte.





Sofia Coppola seziert in Somewhere mit behutsamer Ruhe und Distanz das Leben des Schauspielers Johnny Marco (Stephen Dorff). Seine unzähligen Liebschaften, die hilflose Beziehung zu seiner Tochter (Elle Fanning) und vor allem das unerträgliche Nichts - nichts müssen, nichts können, nichts wollen - sind die einzigen Dinge, die Marco auszumachen scheinen. Dass er dennoch nicht unsympathisch wirkt, liegt am überragenden Spiel Dorffs und Coppolas lang aufrecht erhaltener Objektivität. Sie beobachtet Marcos Verhalten, richtet aber nicht darüber. So entfaltet sich sein Leben vollends im Kopf des Zuschauers und man verzeiht dem Film nur zu gern, dass alle vermeintlich spannenden Situationen links liegen gelassen wurden. Einziger Wermutstropfen: Die versuchte, moralische Auflösung in der letzten Szene, die es wirklich nicht gebraucht hätte.



Dass ein Woody Allen-Film nicht annähernd so ruhig sein könnte, versteht sich von selbst. Nachdem der Altmeister bereits mit Vicky Christina Barcelona auftrumpfen konnte, gelingt auch You will meet a tall dark stranger - selten dämlich mit Ich sehe den Mann deiner Träume übersetzt - mehr als (Allen-)durchschnittlich.





Es geht natürlich um Großstädter, ihre wechselnden Beziehungen, Enttäuschungen und die allgemeinen Schwierigkeiten des Lebens. Besonders hervorzuheben sind Gemma Jones als verlassene Rentnerin, die sich durch Alkohol und eine Wahrsagerin stabilisiert, und Naomi Watts, die ihre Tochter spielt und in einer grandiosen Szene ihre Mutter in übelster Weise beschimpfen darf. Auch Antonio Banderas spielt in You will meet a tall dark stranger mit und beweist wie in fast jedem seiner Filme, dass gutes Aussehen nicht vor verblüffender Schauspielkunst schützt.

Freida Pinto (Slumdog Millionaire) bleibt dagegen ziemlich blass und steif als verführerische Nachbarin und Anthony Hopkins genießt seine Rolle als Senior im Jugendwahn leider nicht so, wie man es sich erhoffen konnte. Dennoch ist Woody Allens mittlerweile 40. Kinofilm äußerst kurzweilig und demonstriert, wieso Allen als bester Dialogregisseur überhaupt gilt.

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