Montag, 4. Oktober 2010
Leonard Cohen in Dortmund

Der Altmeister der Melancholie bezauberte in der Dortmunder Westfalenhalle mit einem gar nicht so melancholischen Konzert.

Als Leonard Cohen zur vierten und letzten Zugabe, nachdem ihm das frenetisch klatschende Publikum trotz dem als Endtitel perfekten Closing Time keine Wahl gelassen hat, auf die Bühne kommt, lächelt er verschmitzt in die Reihen, um dann den noch passenderen Song zu beginnen: I tried to leave you. Dieser Augenblick beschreibt das ganze Konzert, das teils melancholische, teils sogar düstere Werk Cohens erfährt live eine Umdeutung hin zum Schönen, Lebendigen, gar Beschwingten. So wie dieser Song vom bitteren Liebesendlied zum amüsanten Konzertabschluss wird.

Überhaupt macht der mittlerweile 76jährige – nein, das ist kein Schreibfehler – einen enorm lebenslustigen Eindruck. Zwar braucht Cohen eine zwanzigminütige Pause in der Mitte des Abends, doch das ist bei fast vier Stunden Konzertdauer nur allzu verständlich. Und auch in seiner Performance wirkt der Sänger und Songschreiber frischer als vor dreißig Jahren. Während Cohen damals fast ausschließlich starr hinter dem Mikrophon stand, joggt er nun auf und hüpft von der Bühne, geht mehrfach ansatzlos in die Knie (mit 76!) und umschwärmt seine Backgroundsängerinnen und seinen spanischen Gitarrenvirtuosen. Hier will es offensichtlich nicht nur jemand noch mal wissen, sondern auch genießen.



Und wie. Insgesamt 28 Songs quer durch das für so eine lange Karriere gar nicht so umfangreiche Werk singt Cohen und lässt sich von einer spielfreudigen Band begleiten. Neben dem schon erwähnten Javier Mas fällt besonders Multiinstrumentalist (Oboe, Keyboard, Saxophon, eine Art elektronisches Fagott, Gitarre) Dino Soldo auf. Doch die heimlichen Stars des Abends sind die bezaubernden Webb Sisters. Als die beiden Cohens If it be your will ohne Bandbegleitung anstimmen, ist in der mit immerhin 6000 Menschen gefüllten Halle kein einziges Geräusch mehr zu hören.



Was für eine grandiose Band Cohen sich zusammengestellt hat, weiß er auch zu schätzen. Statt sie nur kurz vorzustellen, widmet der Sänger jedem einzelnen Mitglied eine kleine, persönliche Lobeshymne à la „master of precision“ oder „musician of musicians“ für den Schlagzeuger und Keyboarder.
Während die erste Hälfte des Konzerts die eher „seichte“ Seite des Künstlers zeigte, beginnt Cohen allein, nur mit seiner Gitarre den zweiten Teil mit dem finsteren Avalanche. Dass Cohen tatsächlich „born with a gift of a golden voice“ ist, beweist er im Alter noch mehr als zuvor. Erst jetzt scheint seine Stimme zu den so altersweisen, melancholischen Liedern zu passen. So wie an diesem Abend alles passt.

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4 Stunden?
WTF?! Ich bin ein wenig neidisch.

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Morgen
11.45 Uhr läuft bei 3sat ein Cohen Konzert aus London. Eine Stunde, ich werd hoffentlich mal reinschauen ;)

http://www.3sat.de/page/?source=/musik/149050/index.html

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