Sonntag, 25. Oktober 2009
Männer, die Frauen hassen: Stieg Larssons Verblendung im Kino

tontraegerhoerer ist etwas spät dran, bespricht aber nun doch noch Verblendung, die Verfilmung von Stieg Larssons Erfolgsroman.

Mit Verfilmungen berühmter und vor allem beliebter Bücher kann man eigentlich nur scheitern. (Die Herr der Ringe-Trilogie ist visuell unglaublich brillant, erzählerisch mitreißend und damit eine der großen Ausnahmen, doch ich habe Peter Jackson nie verziehen, auf die Figur Tom Bombadil zu verzichten.) Und jetzt also Stieg Larssons Trilogie um den idealistischen Mikael Blomkvist (Michael Nykvist) und seine pragmatische Mit- und manchmal Gegenspielerin Lisbeth Salander (Noomi Rapace).

© filmpalast.net

Regisseur Niels Arden Oplev konzentriert die Geschichte auf ihren ursprünglichen Titel und Stieg Larssons eigentliches Thema, Män som hatar kvinnor, was soviel bedeutet wie „Männer, die Frauen hassen“: Eine ohren- und augenbetäubende Vergewaltigungsszene, Allmachstphantasien ausübende Geistesgestörte, Gewalt in der Familie, Ritualmorde an Frauen, dagegen beinahe alltäglich wirkende Angriffe in einem einsamen Bahnhof, immer wieder konfrontiert uns Oplev mit der unvorstellbaren Grausamkeit von Männern, die keine Grenzen mehr kennen, und kreiert eine Stimmung durchgehender Übelkeit, bis man hinter jeder Berührung eines Mannes sofort einen erneuten Übergriff argwöhnt.

Doch leider wird diese Atmosphäre in Verblendung übertrieben verstärkt, die genretypische, düstere Ausleuchtung wirkt aufgesetzt und die oft unscharfen Bilder verlieren mit fortschreitender Zeit den Reiz des Realismus und stören eher. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass der Film eher fürs Fernsehen, in dem solche Stilmittel nicht so schnell überstrapaziert erscheinen, denn für die Kinoleinwand gedreht wurde.

Oplev hätte sich viel stärker auf die Fähigkeiten seiner Darsteller verlassen sollen, wie in der besten Szene des Films: Blomkvist und Salander begegnen sich das erste Mal in Lisbeths Wohnung, in der Mikael sie mehr oder weniger überrumpelt, und in wenigen Sätzen in der chaotischen Küche entwickelt sich aus Mikaels verzweifelt-aggressiven Fragen und Lisbeths einsilbig-gezischten Antworten eine slapstickartige Charakterisierung.

Überhaupt erweist sich die Besetzung Lisbeth Salanders als größter Coup des Films, denn Noomi Rapace verleiht der Figur eine wütende Zerbrechlichkeit, die sie realistischer als ihre Romanvorlage – die oftmals übermenschlich zu sein scheint - wirken lässt.

Sollten die Nachfolgerfilme eine ähnliche Qualitätssteigerung wie die Romanteile zwei und drei durchmachen, darf man sich jetzt schon freuen und sollte allein deshalb Verblendung anschauen.

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