Sonntag, 6. September 2009
German Basterds

In Inglorious Basterds unter- und überläuft Tarantino wie immer die Erwartungen und rückt gleichzeitig das deutsche Kino in wenig schmeichelhaftes Licht.


Über den neuen Film von Quentin Tarantino gibt es nichts mehr zu sagen. Christoph Waltz ist zu recht himmelwärts gelobt worden und sollte seinen nächsten Film sehr bedacht wählen, um nicht viel zu schnell wieder abzustürzen. Alle übrigen Schauspieler liefern solide (Gedeon Burkhard, Til Schweiger), überraschende (August Diehl) bis begeisternde (Daniel Brühl, Mélanie Laurent, Sylvester Groth) Leistungen ab. Allein Diane Kruger/Krüger spielt derart unterirdisch, dass man sich wünscht, ihre Szenen im Film nachträglich schneiden zu können.
Auch über das geniale Drehbuch wurde oft genug berichtet, wer nun also eine ausführliche Kritik von Inglorious Basterds erwartet, muss leider enttäuscht werden (aber auch nicht weitersuchen, denn eine wirklich gute Kritik des Films findet man bei Hulza!).

Mir stellt sich nach dem grandiosen Kinogenuss eine ganz andere Frage: Wie kann es sein, dass ein Amerikaner einen deutschen Film dreht, der witziger und mitreißender ist als alle anderen deutschen Filme der letzten Jahre?

Denn Inglorious Basterds ist zweifellos ein deutscher Film, größtenteils in Deutschland gedreht, mit deutscher Filmprominenz bis in die kleinsten Rollen besetzt (neben den oben genannten Brühl, Diehl, Schweiger, Burkhard, Groth und leider auch Kruger noch Michael Fassbender, Martin Wuttke, Wotan Wilke Möhrings Bruder Soenke, Ken Duken, Christian Berkel, Jana Pallaske, Ludger Pistor oder Bela B.) und mit Geld aus der Bundesrepublik finanziert
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Größtenteils liegt die Ausnahmestellung des Films in Tarantinos Umgang mit Klischees. Nicht nur die Darstellung des Zweiten Weltkriegs und der Nazis umgeht geschickt schon hundertfach gesehene Standardsituationen. Tarantino ignoriert auch die bisherigen Standardrollen seiner Schauspieler und erweitert ihr Spektrum dabei immens, wie Christoph Waltz am besten beweist, doch auch Til Schweiger darf nicht außen vor gelassen werden. Zwar ist seine Rolle nicht gerade wortgewaltig, doch Schweiger bringt eine Präsenz auf der Leinwand hervor, die er sonst als Hauptdarsteller in einem ganzen Film nicht erreicht.

Til Schweiger repräsentiert perfekt das eine Problem des deutschen Films: Es sind Filme wie Keinohrhasen, die die deutsche Komödie der letzten Jahre zusammenfassen: Nett, größtenteils amüsant bis pubertätswitzig und immer harmlos. Kennt man einen, kennt man alle (FC Venus, Der Schuh des Manitu, Sonnenallee und ja, auch Good Bye Lenin!). Natürlich erlaubt sich auch Inglorious Basterds Witze der Kategorie Oberschenkelklopfer, aber Tarantino packt einen im nächsten Moment schon wieder so sehr, dass man viele Szenen des Films nicht so schnell vergessen wird. Wer könnte dagegen noch allein die Handlung von Keinohrhasen problemlos nacherzählen?
Natürlich gibt es im breit gefächerten Komödieneinerlei in Deutschland auch Perlen wie z.B. den charmanten und zartbitteren Sommer vorm Balkon, die aber in ihrer Ausnahme nur zu genau dokumentieren, was deutschen Filmen fast grundsätzlich abgeht: Leichtigkeit. Während Quentin Tarantino sein eigenes Werk scheinbar nicht ernst nimmt und lustvoll von einem Genre ins nächste stürzt, gieren deutsche Filmemacher nach Stringenz, Ernsthaftigkeit und Geschichtstreue, womit man auch schon beim zweiten Problem des deutschen Films angekommen ist.

Deutsche Filme sind grau. Vor Inglorious Basterds lief der Trailer zu Hans-Christian Schmids neuem Film Sturm: Schauspieler blicken ernst in dramatischen Großaufnahmen dem Zuschauer aus graumelierten Bildern entgegen. Es geht um Kriegsverbrechen, ein tatsächlich trauriges Thema, doch die Darstellung ist symptomatisch für den deutschen Film. Der Versuch, schwierigen, historischen Themen gerecht zu werden, führt zu einer Vereinheitlichung ihrer Abbildung: Das Leben der Anderen, Der Untergang, Der Baader Meinhof Komplex, nahezu das Gesamtwerk von Regisseuren wie Schmid oder Christian Petzold, Fernsehfilme wie Anonyma – Eine Frau in Berlin oder Die Flucht schwelgen in den immer gleichen tristen, grauen Bildern, die das Dargestellte realistischer und ernster machen sollen, aber stattdessen immer wieder ideenlos und langweilig wirken. Das ist keine Haltung mehr sondern ein Fluch.

Tarantino braucht dreißig Sekunden in einer alten Holzhütte auf einem sonnenüberfluteten, sattgrünen Grashügel in der Eingangssequenz und seinen heimlichen Hauptdarsteller Waltz, um aus einem gerade noch Lacher auslösenden Duell einen Augenblick der Schockstarre zu kreieren. Er arbeitet mit den gleichen deutschen Schauspielern, der gleichen Finanzierung und den gleichen Drehorten wie alle anderen deutschen Regisseure und trotzdem ist alles anders.

Doch anscheinend haben wir es nicht besser verdient, schließlich schickt Deutschland lieber den ultragrauen, weil schwarzweißen Film eines Österreichers (Michael Hanekes Das weiße Band) als Kandidaten in das Rennen um den besten, nicht englischsprachigen Film-Oscar als den bunten, leichtfüßigen und doch tiefgründigen, quasi-deutschen Film eines Amerikaners. Es lebe die Kontinuität!

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